Michael Korwisi

Er steht für sich selbst

Von Bernhard Biener, Bad Homburg

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Die CDU machte sogar Andeutungen über eine geistige Nähe zwischen ihm und Fid...

Die CDU machte sogar Andeutungen über eine geistige Nähe zwischen ihm und Fidel Castro: Michael Korwisi von den Grünen.

17. Mai 2009 Jetzt hat er doch noch angerufen. Drei Tage dauerte es, bis die Nachricht von Michael Korwisis Erfolg den früheren Außenminister Joseph Fischer in Amerika erreicht hatte und dieser Zeit für einen Anruf fand. Als alter Frankfurter sei er doch erstaunt über die Höhe des Wahlsiegs, sagte Fischer seinem einstigen Mitarbeiter im Ministerbüro des hessischen Umweltministeriums. 1991 übernahm Korwisi dort die Aufgabe, Fischers Öffentlichkeitsarbeit zu steuern. Da gehörte der erste Minister der Grünen schon zum zweiten Mal der Landesregierung an. Am vergangenen Sonntag hat auch Korwisi der Partei eine Premiere beschert. Dank seines Erfolgs in der Stichwahl mit fast 60 Prozent der Stimmen wird er im September der erste grüne Oberbürgermeister in Hessen.

Der Titel Oberbürgermeister steht dem Verwaltungschef der „Sonderstatusstadt“ Bad Homburg dank ihrer mehr als 50 000 Einwohner zu. Bis vor einer Woche dachte die CDU, dieser Titel wiederum stünde automatisch ihrer Kandidatin zu. So hatte man es schließlich in der Kurstadt gehalten, seit nach den ersten Nachkriegsjahren eine Stadtverordnetenversammlung nach heutigem Muster etabliert war. Auch als die Bürger direkt die Person des Oberbürgermeisters bestimmen durften, war das CDU-Parteibuch die wichtigste Voraussetzung für den Erfolg.

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Die Bürgerliste Bad Homburg und die Neue Homburger Union unterstützten Korwisi

So hatte auch diesmal Amtsinhaberin Ursula Jungherr (CDU) davon ausgehen können, mit dem Ausstechen des parteiinternen Rivalen, des Fraktionsvorsitzenden Alfred Etzrodt, sei die wichtigste Hürde genommen. Dann aber waren die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der kubanischen Revolution zu Ende.

Der Zusammenhang zwischen staatlich verordnetem Jubel in der Karibik und der Bad Homburger Oberbürgermeisterwahl scheint weit hergeholt. Aber es ergab sich, dass der Grünen-Politiker ausgerechnet während dieser Zeit auf Kuba Urlaub machte – was die CDU zu Andeutungen über eine geistige Nähe zwischen Korwisi und Castro veranlasste. Bedeutend wurde die Fernreise jedoch eher dadurch, dass die späte Rückkehr Korwisis einen gemeinsamen Kandidaten der Oppositionsfraktionen verhinderte. Die SPD geriet wegen ihrer Gremien in Zeitnot und stellte den Unternehmensberater Karl Heinz Krug auf, der sich erst in Bad Homburg bekannt machen musste. Die anderen Fraktionen zögerten. Als kurz darauf der braungebrannte Karibik-Heimkehrer seine Bewerbung als Unabhängiger verkündete, blieb die SPD allein: Bürgerliste Bad Homburg (BLB) und Neue Homburger Union (NHU) unterstützten Korwisi.

Korwisi der Kirdorfer

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Die Oberbürgermeisterin ahnte, dass ihr von dem ehemaligen Magistratskollegen die größte Gefahr drohte. Denn Korwisi ist in Bad Homburg kein unbeschriebenes Blatt. Nichts drückt Heimatverbundenheit stärker aus, als wenn jemand nicht auf die Herkunft aus einer Stadt, sondern aus einem Stadtteil verweist. Michael Korwisi ist Kirdorfer, entstammt also einem Volksstamm, der sich seit jeher durch den katholischen Glauben vom übrigen Homburg abhob und seine Kirche selbstbewusst „Taunusdom“ nennt.

Auf den Tag genau 57 Jahre vor dem ersten Termin der diesjährigen Oberbürgermeisterwahl wurde er geboren, und eigentlich wollte er Lehrer werden. Dazu studierte er slawische und englische Philologie, weshalb er außer Englisch auch Russisch fließend spricht. Doch anders als heute waren nach Abschluss seines Referendariats zu Beginn der achtziger Jahre die Berufsaussichten für Pädagogen trüb und der Personenbeförderungsschein für viele eine einträglichere Qualifikation als das Staatsexamen.

Er steht vor allem für sich selbst

Korwisi hingegen zog es in die Politik, denn zu jener Zeit etablierten sich die Grünen als Partei. Im Taunus wie in Bad Homburg gehörte er zu ihren Gründern, und in Wiesbaden übernahm er von 1985 bis 1991 den Job des Landesgeschäftsführers. Danach war er zehn Jahre lang Referent im Umweltministerium, unter anderem eben im Büro Fischers. Dort hatte zuvor auch Horst Burghardt gearbeitet, bevor er Landtagsabgeordneter der Grünen wurde. Burghardt ist schon seit 1997 Bürgermeister, und zwar im benachbarten Friedrichsdorf. Er wurde vor kurzem mit 73,5 Prozent der Stimmen für eine dritte Amtszeit bestätigt – ein Hinweis darauf, dass die Wähler im CDU-dominierten Hochtaunuskreis bei Persönlichkeitswahlen durchaus zu differenzieren wissen.

Zwischen Burghardt und Korwisi gibt es eine weitere Gemeinsamkeit. Beide sind als unabhängige Kandidaten angetreten. Das hat ihnen den Vorwurf des Etikettenschwindels eingebracht. Burghardt hat sich allerdings in seiner praktischen Politik als ziemlich unideologisch erwiesen und arbeitet reibungslos mit der jetzigen CDU/FWG-Koalition zusammen. Die CDU verzichtete – mit Rücksicht auf den Koalitionspartner und wohl auch mit Blick auf die Chancen – sogar auf einen eigenen Kandidaten. Das wiederum wäre in Bad Homburg undenkbar. Jedoch hat auch Korwisi oft genug gezeigt, dass er politisch vor allem für eines steht: für sich selbst.

2001 „Kumulierkönig“ mit 9000 Stimmen

Ganz besonders deutlich wurde dies, als er 1998 schon einmal zur Oberbürgermeisterwahl antrat. Im ersten Wahlgang erreichte er mit 22,5 Prozent ein beachtliches Ergebnis, das weit über das Potential der Grünen in Bad Homburg hinausreichte. Vor der Stichwahl warb Korwisi dann für den CDU-Kandidaten Reinhard Wolters und nicht für die damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Beate Fleige. Der entsetzte Grünen-Parteivorstand, der sich einer Wahlempfehlung enthalten hatte, rügte daraufhin den Fraktionsvorsitzenden. Ein Jahr später zeigte sich Korwisi von Wolters enttäuscht und bekannte, sich geirrt zu haben.

Dass er bei den Bad Homburgern längst einen Namen hatte, bewies er bei der Kommunalwahl 2001. Als „Kumulierkönig“ bekam er 9000 Stimmen und lag auf dem fünften Platz aller Kandidaten. Kurz darauf machte die Kurstadt erstmals durch ein politisches Experiment Schlagzeilen. CDU und Grüne vereinbarten eine schwarz-grüne Koalition, die Korwisi zum hauptamtlichen Stadtrat machte. Und während es der CDU seit sechs Jahren nicht gelungen ist, in wechselnden Koalitionen einen Bürgermeister der eigenen Couleur zu wählen, bekam Korwisi damals sogar eine Stimme mehr, als CDU und Grüne Mandate hatten.

Die Zusammenarbeit mit Wolters war angespannt, und auch mit dessen Nachfolgerin Jungherr wollte innige Herzlichkeit nicht aufkommen. Schließlich beschnitt die Oberbürgermeisterin die Zuständigkeiten des grünen Stadtrats und zog die Stadtplanung an sich. Rechtzeitig vor der Kommunalwahl 2006 platzte das schwarz-grüne Bündnis. Von der neuen CDU/FDP-Koalition wurde Korwisi abgewählt. Seither kümmerte er sich um die Streuobstwiesen im Kirdorfer Feld, von deren Erträgen inzwischen wieder Apfelwein gekeltert wird. Und im Vorstand der Spielvereinigung 05 gab Korwisi dem legendären Fußballclub mit parteiübergreifender Unterstützung eine neue Perspektive. Als er dann im Wahlkampf noch die Unzufriedenen und Bürgerinitiativen hinter sich versammelte, wuchs sich seine Kandidatur zur Bewegung aus. Jetzt haben viele der Unterstützer große Erwartungen an den neuen Oberbürgermeister. Der Kirdorfer aber trägt künftig Verantwortung für die ganze Stadt.

Text: F.A.Z.
Bildmaterial: Rainer Wohlfahrt